Eine Gruppe übt im Erste-Hilfe-Kurs die Wiederbelebung
BGM

Ersthelfer in Betrieben: eine Win-Win-Situation für alle

Wenn Menschen am Arbeitsplatz in Not geraten, ist schnelle Hilfe oft lebenswichtig. Jeder Arbeitgeber muss sicherstellen, dass am Arbeitsplatz Erste Hilfe geleistet werden kann. Dazu gehört unter anderem die Benennung von Ersthelfern in ausreichender Zahl, deren Schulung sowie die Bereitstellung geeigneter Ausrüstung. Doch wie viele Ersthelfer braucht ein Betrieb? Und wer kann es werden? In diesem Beitrag beantworten wir die wichtigsten Fragen rund um die betriebliche Ersthilfe.


Daniela Reich, Geschäftsführerin der Akademie für Arbeitssicherheit – Erste Hilfe Dortmund

Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin kann sich zum betrieblichen Ersthelfer ausbilden lassen“,erklärt Daniela Reich, Geschäftsführerin der Akademie für Arbeitssicherheit – Erste Hilfe Dortmund. „Selbst wer kein Blut sehen kann, eignet sich als Ersthelfer, denn die meisten Notfälle sind krankheitsbedingt.“ Dennoch zögern immer wieder Mitarbeiter, sich in Erster Hilfe ausbilden zu lassen. „Jeder sollte über Kenntnisse in Erster Hilfe verfügen“, meint die Erste-Hilfe-Expertin. „Denn sich als betrieblicher Ersthelfer ausbilden zu lassen, ist eine Win-Win-Situation für alle, die Mitarbeiter, den Arbeitgeber, die Berufsgenossenschaft und den Ersthelfer selbst.

Es bietet Allen Vorteile. Dem verletzten oder erkrankten Kollegen kann so schnell geholfen und vielleicht sogar das Leben gerettet werden. Auch der Arbeitgeber möchte neben seiner Pflicht zum Schutz des Arbeitsnehmers natürlich, dass dieser so schnell wie möglich wieder gesund ist und sich die Krankheitsfolgen und -dauer minimieren. Dies unterstützt auch die Berufsgenossenschaft, indem sie die Kosten für den Kurs übernehmen. Ein weiterer Vorteil: der Ersthelfer kann das Notfallwissen auch privat nutzen. Und Notfälle im privaten Umfeld sind keine Seltenheit.“


Erste Hilfe: Viele falsche Vorstellungen

Doch Erste Hilfe leisten können nur die wenigsten. Wiederbelebung, stabile Seitenlage, Druckverband am Arm – mehr als zwei Drittel aller Deutschen fühlen sich nicht in der Lage, im Notfall aktiv zu werden. Das liegt auch an den zahlreichen Missverständnissen hinsichtlich der Ersten Hilfe. „Die meisten denken bei Erster Hilfe zu allererst an die Reanimation einer fremden Person. Aber das ist die absolute Ausnahme. In 80 Prozent aller Fälle benötigt nicht ein Fremder Erste Hilfe, sondern Menschen aus dem eigenen Umfeld wie Angehörige, Freunde, Nachbarn, Sport- oder Arbeitskollegen.“

Viele Menschen haben zudem Angst, in einen Notfall einzugreifen. „Sie haben Sorge, etwas falsch zu machen“, weiß Daniela Reich. „Doch man kann nichts falsch machen. Denn jede Form der Hilfe ist wichtig. Wir bereiten die Ersthelfer in unseren Kursen darauf vor, dass sie in der Lage sind, zu entscheiden, inwieweit sie selbst helfen können oder ob sie jemanden, wie z. B. den Rettungsdienst, hinzuziehen. Ganz wichtig ist in jedem Fall die psychologische Betreuung des Verunfallten oder Erkrankten. Bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall gilt es vor allem, den Patienten gut zuzureden, ihn zu beruhigen und nicht alleine zu lassen. Ein Herz-Kreislauf-Stillstand tritt nur selten auf.“ Die Akademie für Arbeitssicherheit schult pro Jahr ca. 5.000 Menschen in Erster Hilfe, davon 70 Prozent als betriebliche Ersthelfer. Die Kosten für die Ausbildung der Ersthelfer in Betrieben tragen die gesetzlichen Unfallversicherungsträger.

Helden von morgen
„Ich kann nur jeden ermutigen, die Chance zu nutzen und sich als betrieblicher Ersthelfer ausbilden zu lassen. Nichts ist schlimmer, als sich angesichts einer Notfallsituation hilflos zu fühlen. Die Erste-Hilfe-Kurse können einem diese Unsicherheit nehmen. Und vielleicht kann man mit diesem Wissen eines Tages sogar jemandem helfen oder gar das Leben retten.“  

Erste-Hilfe-Expertin Daniela Reich

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum betrieblichen Ersthelfer auf einen Blick:

Was ist ein Ersthelfer?

Ersthelfer in Betrieben sind Mitarbeiter, die verletzte oder erkrankte Mitarbeiter am Arbeitsplatz entsprechend dem Prinzip der Rettungskette versorgen können. Sie sind für die Erste Hilfe ausgebildet und von ihrem Arbeitgeber als Ersthelfer benannt. 

Welche Betriebe brauchen einen Ersthelfer?

Laut der Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) sind alle Unternehmen, die mindestens zwei Arbeitnehmer beschäftigen, verpflichtet, einen Ersthelfer im Betrieb bereitzustellen. Das gilt ausnahmslos für alle Branchen.

Braucht es einen Ersthelfer im Homeoffice?

Nein, im Homeoffice braucht es keinen Ersthelfer, da ein Ersthelfer erst ab zwei anwesenden versicherten Mitarbeitern vorgeschrieben ist. Dort reicht es, dass der Mitarbeiter einen Notruf absetzen kann.


Wie viele Ersthelfer müssen im Betrieb sein?

Generell muss bei einem kleinen Betrieb oder einer Einrichtung, bei der zwei bis 20 Mitarbeiter anwesend sind, ein betrieblicher Ersthelfer vor Ort sein muss – unabhängig von Branche oder Tätigkeitsfeld. Hat das Unternehmen mehr als 20 Beschäftigte, müssen bei Verwaltungs- und Handelsbetrieben fünf Prozent der anwesenden Beschäftigten und bei den sonstigen Betrieben wie Handwerk, Produktion oder Transportgewerbe zehn Prozent der anwesenden Mitarbeiter Ersthelfer sein. Entscheidend für die Berechnung der Ersthelferquote ist die Zahl der Beschäftigten, die gleichzeitig vor Ort ist. Für bestimmte Betriebe gelten Sonderregelungen. Beispielsweise muss es in jeder Kindertageseinrichtungen ein Ersthelfer je Kindergruppe geben.

Nicht immer ist die Ersthelferquote exakt zu erfüllen. Auch Ersthelfer werden mal krank. Daher empfiehlt es sich, lieber mehr Beschäftigte als theoretisch nötig in Erster Hilfe auszubilden.Fällt bei einer Überprüfung durch die Berufsgenossenschaft auf, dass nicht genügend Ersthelfer im Betrieb zur Verfügung stehen, können Bußgelder von bis zu 10.000 Euro verhängt werden.


Was muss ein Ersthelfer können?

Ersthelfer müssen bei einem Notfall einsatzbereit sein und helfen. Ersthelfer übernehmen die Versorgung von Verletzten, bis der Rettungsdienst eintrifft. Gegebenenfalls müssen sie den Transport zur ärztlichen Behandlung in die Wege leiten. Darüber hinaus können Ersthelfer damit beauftragt werden, Erste-Hilfe-Leistungen zu dokumentieren und den Verbandskasten oder -schrank zu kontrollieren. Das Erste-Hilfe-Material muss stets einsatzbereit sein. Verbrauchtes Material ist umgehend zu ersetzen.

Wer kann Ersthelfer werden?

Ersthelfer kann grundsätzlich jeder Betriebsangehörige werden. Er muss dazu an einem Erste-Hilfe-Lehrgang oder einer Erste-Hilfe-Fortbildung teilnehmen. Die Kenntnisse sind alle zwei Jahre aufzufrischen.

Wie läuft die Ausbildung zum Ersthelfer?

Die Lehrgänge orientieren sich stark an der Praxis und konzentrieren sich auf lebensrettende und einfache Erste-Hilfe-Maßnahmen. Die Ausbildung umfasst neun Unterrichtseinheiten je 45 Minuten. Bereits 2015 wurden die Kurse für Führerscheinbewerber und Ersthelfer in den Unternehmen bundesweit vereinheitlicht und auf einen Tag begrenzt. Darüber hinaus gibt es spezielle Kurse für Ersthelfer in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder, in Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen und Vieles mehr.


Gibt es eine Fortbildungspflicht für Ersthelfer?

Erste Hilfe-Kenntnisse müssen alle zwei Jahre im Rahmen einer Ersthelfer-Fortbildung aufgefrischt werden. Eine regelmäßige Auffrischung ist erforderlich, um jederzeit kompetent Erste Hilfe leisten zu können.

Wer trägt die Kosten?

Die Kosten für die Aus- und Weiterbildung zum Ersthelfer im Betrieb übernehmen in der Regel die gesetzlichen Unfallversicherungsträger.

Kann man für Erste Hilfe bestraft werden?

Erste Hilfe ist eine rechtmäßige Handlung. Grundsätzlich müssen Ersthelfer nach geleisteter Hilfe nicht mit rechtlichen Konse­quenzen rechnen, wenn sie die ihnen bestmögliche Hilfe geleistet oder so sachgerecht gehandelt haben, wie sie es im Ersten-Hilfe-Kurs gelernt haben.


Was passiert, wenn sich kein Mitarbeiter als Ersthelfer zur Verfügung stellt?

Wenn sich kein Mitarbeiter freiwillig als Ersthelfer meldet, kann der Unternehmer auch jemanden bestimmen. Niemand kann dies verweigern, denn Mitarbeiter sind laut Arbeitsschutzgesetz und DGUV Vorschrift dazu verpflichtet, als Ersthelfer zur Verfügung zu stehen. Einzige Ausnahme sind persönliche Gründe wie z. B. eine Behinderung.

Sind Mitarbeiter verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten, selbst wenn sie keine Ersthelfer-Ausbildung haben?

In Deutschland ist jeder Bürger per Gesetz verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten. Das gilt natürlich auch im Betrieb. Alle Mitarbeiter sind angehalten, bei Unglücksfällen zu hel­fen, soweit es erforderlich und ihnen den Umständen nach zuzumuten ist. Es ist nicht zumutbar, wenn Mitarbeiter dadurch andere wichtige Pflichten verletzen und sich selbst in Gefahr bringen müssen. Verpflichtend ist hingegen in jedem Fall das Herbeiholen weiterer Hilfe oder das Abset­zen eines Notrufes. Ebenfalls muss keine Hilfe geleistet werden, wenn bereits Sanitäter oder Ärzte den verletzten bzw. erkrankten Menschen medizinisch versorgen. Im Fall einer unterlassenen Hilfeleistung können sich Mitarbeiter nach § 323c Straf­gesetzbuch strafbar machen.


Was sollten alle Mitarbeiter im Unternehmen über Erste Hilfe wissen?

Damit alle Beschäftigten auf mögliche Notfälle vorbereitet sind, sollte jeder Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die wichtigsten Informationen zum Ablauf der Ersten Hilfe einmal pro Jahr an die Hand geben. Dazu gehört:

  • Welche Kollegen sind Ersthelfer im Betrieb und wie sind sie zu erreichen?
  • Wo und wie kann ein Notruf abgesetzt werden?
  • Wem ist der Unfall zu melden?
  • Wo befindet sich das Erste-Hilfe-Material, z.B. Verbandkästen oder ggf. automatisierte Defibrillatoren?
  • Wie werden Rettungseinheiten an den Notfallort geleitet?

Je konkreter die jährliche Unterweisung abläuft, desto größer ist der Lerneffekt. Beispielsweise kann der Einsatz eines Defibrillators geübt werden. Experten raten zu einem Aushang, der auf einen Blick deutlich macht, wer im Betrieb Ersthelfer ist.

Generell gilt: Betriebliche Notfallsituationen sind zu üben!


Betriebliche Ersthelfer Ausbildung

Die Ausbildung in Erster Hilfe behandelt folgende Themen:

  1. Eigene Sicherheit/eigenes Schutzverhalten und Rettung aus dem Gefahrenbereich
  2. Kontaktaufnahme/Prüfen der Vitalfunktionen (Bewusstsein, Atmung, Kreislauf)
  3. Störungen des Bewusstseins
  4. Störungen von Atmung und Kreislauf
  5. Knochenbrüche, Gelenkverletzungen
  6. Bauchverletzungen
  7. Wunden, bedrohliche Blutungen
  8. Schock
  9. Verbrennungen/thermische Schäden
  10. Vergiftungen und Verätzungen
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